Austritt — Wie kommt man wieder raus?
Möglichkeiten, die Zeugen Jehovas zu verlassen
Hier sollen zunächst einmal die möglichen Wege aufgezeigt werden. Weiter unten folgt dann noch das Religionsrecht der
ZJ,
auf das bei den verschiedenen Wegen Bezug genommen wird.
Es geht hier nur um die Möglichkeiten, wie man die
ZJ verlassen kann. Die Konsequenzen wie die verordnete Ächtung, Mobbing usw. sind unter
Ausschluss beschrieben.
Der Weg „einer mündlichen Erklärung eines Mitglieds gegenüber zwei Mitgliedern der Religionsgemeinschaft, die Gemeinschaft verlassen zu wollen“
Dieser Weg bedingt ein Gespräch mit zwei Ältesten, in dem diese meist versuchen werden, die Person zum Bleiben in der
Gemeinschaft zu überreden. Der Text aus den Statuten der
ZJ (§ 16, Absatz 3 — siehe unten) würde theoretisch auch erlauben, seinen
Austrittswillen gegenüber zwei beliebigen Mitgliedern der Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen. Es müssten also keine Ältesten sein.
Ob das in der Praxis so akzeptiert würde, ist dann aber eher fraglich.
Man kann diese Gelegenheit nutzen, um Ältesten gegenüber Zeugnis zu geben. Möglicherweise bringen die genannten Gründe auch
sie zum Nachdenken. Erfahrungsgemäß ist das aber nicht wirklich der Fall.
Das persönliche Gespräch kann sehr emotional sein. Möglicherweise ist es das letzte Gespräch, das man mit
Mitgliedern der
ZJ führt.
Staatliche Organe erfahren nichts von einem Verlassen der
ZJ.
Es gab auch schon Aussteiger, die ihren Austritt öffentlich in der Versammlung erklärt haben. Dabei konnten sie auch in sehr knappen Worten
erklären, warum sie gehen und damit allen ein Zeugnis und einen Denkanstoß geben. Das fällt dann wohl auch unter diesen Weg des Ausstiegs,
auch wenn die Zahl zwei hier klar überschritten wird.
Der Weg „einer höchstpersönlichen schriftlichen Erklärung eines Mitglieds, die Gemeinschaft verlassen zu wollen“
Hier schreibt man einen Brief an die Versammlung oder bestimmte Älteste. Bei diesem Weg kommt man theoretisch
um ein Gespräch mit den Ältesten vorbei. Praktisch werden diese vermutlich dennoch das Gespräch suchen. Diesem muss man aber nicht
zustimmen.
Man kann einen Brief nutzen, um Ältesten gegenüber Zeugnis über die Gründe des Ausstiegs zu geben.
Ob dieser dann auch allen Ältesten vollumfänglich vorgelesen oder zur Verfügung gestellt wird, ist nicht sicher.
Staatliche Organe erfahren nichts von einem Verlassen der
ZJ.
Der Weg „einer Austrittserklärung bei der gemäß Landesrecht vorgesehenen Behörde“
Dazu geht man auf das Standesamt und erklärt seinen Austritt bei den
ZJ. Dieser Weg ist möglich, seit die
ZJ in
Deutschland Körperschaft des öffentlichen Rechts sind. Allerdings wissen das die meisten Aussteiger und Ausstiegswilligen nicht. Dazu
erklärt man vor einem Standesbeamten bzw. einer Standesbeamtin seinen Austritt ohne Angabe von Gründen. Möglicherweise fragt der Beamte
oder die Beamtin aus persönlichem Interesse nach den Gründen. Verpflichtend ist diese Angabe aber nicht.
Man findet die jeweiligen Kontakte normalerweise auf den Webseiten der Stadt bzw. der Gemeinde unter dem Suchbegriff „Kirchenaustritt“.
Staatliche Organe erfahren von einem Austritt bei den
ZJ. Es ist unklar, wie weit die
ZJ ehemalige Mitglieder noch
zählen um die Statistik vor dem Staat zu bewahren. Spätestens mit den Austritt vor staatlichen Behörden sollte dies nicht mehr der Fall sein.
Die eigenen Gründe für einen Austritt vor Ältesten oder anderen Mitglidern der
ZJ zu nennen kann befreiend sein.
Dies fällt damit weg. Viele sind aber auch froh, wenn sie dem direkten Gespräch mit Ältesten nicht ausgesetzt sind.
Interessanter Weise heißt es in §16, Absatz (4)/2.
Die Mitgliedschaft endet durch einen das Verlassen der Gemeinschaft feststellenden Beschluss des eingesetzten Komitees.
Ein solcher Beschluss ist zulässig auf der Grundlage [...] einer Austrittserklärung bei der gemäß Landesrecht vorgesehenen Behörde,
dann aber in §17 (Wirkung des Austritts vor staatlichen Behörden)
Der Austritt bei einer gemäß Landesrecht vorgesehenen Behörde beendet die Mitgliedschaft lediglich mit Wirkung für die staatliche Rechtsordnung.
Es bleibt der Eindruck, dass die Statuten der
ZJ über den Landesgesetzen stehen.
Was passiert bei einem Austritt über das Standesamt?
Das Standesamt nimmt die Daten auf und leitet dann den Austritt an die Zeugen Jehovas weiter. Möglicherweise ist die Zieladresse am Standesamt
nicht bekannt. Adressen sind
ZJ in Selters oder Jehovas Zeugen in Deutschland, K.d.ö.R. in Berlin. Vermutlich sind beide Adressen möglich.
Der Austritt kostet Gebühren am Standesamt. Der jeweilige Betrag ist vom Bundesland oder der Gemeinde abhängig. Typischerweise liegt er
(Stand 2023) zwischen 30 und 40€ pro Person.
Sofern man die Zugehörigkeit zu den
ZJ in Urkunden (z.B. Eheurkunde) eintragen hat
lassen, kann man diese dann auch neu ohne diese Anmerkung ausstellen lassen. Auch dafür fallen
natürlich Gebühren an.
In einem uns persönlich bekannten Fall dauerte es nach der Erklärung auf dem Standesamt nur wenige Tage, bis das Verlassen der
ZJ in der
Versammlung bekannt gegeben wurde.
Der Weg „eines offenkundigen Verhaltens, das im Widerspruch zum Religionsrecht steht“
Das klingt jetzt, nach der Notwendigkeit eines schweren Fehlverhaltens, aus biblischer Sicht. Dank der
absolutistischen Stellung der
LK reicht es aber aus, diese öffentlich zu kritisieren. So heißt es im
Statut der Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen in Deutschland, K. d. ö. R.(StRG), Präambel (4) [Hervorhebung durch mich]
Gemeinsame Grundlage für das Wirken aller Gliederungen und Einrichtungen
der Religionsgemeinschaft ist das religionsgemeinschaftliche Recht (im Folgenden
„Religionsrecht“ genannt; Psalm 19:7; Psalm 1:2; Galater 6:2).
Dieses beinhaltet das von der Leitenden Körperschaft vermittelte Verständnis
der biblischen Lehre sowie des Aufbaus (Gliederung) und der Wirkungsweise der Religionsgemeinschaft
(Matthäus 24:45–47). Hierin eingeschlossen sind die in Briefen und Publikationen
veröffentlichten oder mündlich durch die Leitende Körperschaft, deren Beauftragte
oder das Zweigkomitee in dessen Zuständigkeitsbereich übermittelten Anleitungen.
Eine öffentliche Kritik der
LK steht damit „im Widerspruch zum Religionsrecht“ der
ZJ
und kann einen Ausschluss bewirken, ohne dass man sich im biblischen Sinn versündigen müsste. Man zählt damit natürlich
nicht nur als ausgeschlossen, sondern als abtrünnig, weil man es gewagt hat, die geistige Führung der
ZJ zu kritisieren.
Das Thema „Beendigung der Mitgliedschaft“ in den Statuten der Zeugen Jehovas in Deutschland (Stand 8/2023)
Religionsrecht Zeugen Jehovas in Deutschland (die Aussage variiert je nach Land und Landesverfassung)
§ 16 Beendigung der Mitgliedschaft.
(1) Die Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft endet durch den Tod.
(2) Die Mitgliedschaft in der Religionsgemeinschaft endet durch den Wegzug aus dem Wirkungsbereich der
Religionsgemeinschaft mit Begründung einer Verbundenheit mit einer Gliederung außerhalb des Wirkungsbereichs,
außer es besteht weiterhin eine Verbundenheit mit einer Gliederung oder Einrichtung im
Wirkungsbereich der Religionsgemeinschaft (§ 1 Abs. 3).
(3) Die Mitgliedschaft endet durch Ausschlussbeschluss des eingesetzten Rechtskomitees.
Es gelten folgende Verfahrensgrundsätze:
1. Das Rechtskomitee entscheidet nach Durchführung eines Rechtskomiteeverfahrens auf der Grundlage der
religiösen Grundsätze von Jehovas Zeugen, was eine mündlichen Verhandlung einschließt, zu der der Betroffene zu laden ist.
2. Bleibt der Betroffene zum wiederholten Mal der Verhandlung unentschuldigt fern, kann in seiner Abwesenheit verhandelt werden.
3. Der Beschuldigte kann Beweise vorlegen und Zeugen benennen.
4. Auf Grund des seelsorgerischen Charakters des Verfahrens ist der Beistand durch andere Personen,
insbesondere Rechtsanwälte, ausgeschlossen. In den vom Religionsrecht vorgesehenen Fällen können Personen als Beobachter zugelassen werden.
5. Gegen die Entscheidung des Rechtskomitees kann innerhalb von sieben Tagen nach Mitteilung der Entscheidung des Rechtskomitees an den Betroffenen
schriftlich Berufung eingelegt werden. Darüber entscheidet ein Berufungskomitee der Religionsgemeinschaft.
(4) Die Mitgliedschaft endet durch einen das Verlassen der Gemeinschaft feststellenden Beschluss des eingesetzten Komitees.
Ein solcher Beschluss ist zulässig auf der Grundlage
1. einer höchstpersönlichen schriftlichen Erklärung eines Mitglieds, die Gemeinschaft verlassen zu wollen,
2. einer Austrittserklärung bei der gemäß Landesrecht vorgesehenen Behörde,
3. einer mündlichen Erklärung eines Mitglieds gegenüber zwei Mitgliedern der Religionsgemeinschaft, die Gemeinschaft verlassen zu wollen,
4. eines offenkundigen Verhaltens, das im Widerspruch zum Religionsrecht steht.
(5) Der vormitgliedschaftliche Status kann aberkannt werden, wenn der Betroffene erklärt, nicht länger
ungetaufter Verkündiger sein zu wollen oder die Einstellung oder der Lebenswandel des Betroffenen nicht
mehr mit den Glaubenslehren und der Glaubenspraxis von Jehovas Zeugen übereinstimmt, wobei dem Betroffenen
Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt wird.
§ 17 Wirkung des Austritts vor staatlichen Behörden.
Der Austritt bei einer gemäß Landesrecht vorgesehenen Behörde beendet die Mitgliedschaft lediglich mit Wirkung für die staatliche Rechtsordnung.